Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sind mit 62 denkmalgeschützten Monumenten und  rund 200 ha Parkanlagen sowie jährlich 4 Millionen Besucher:innen der größte kulturtouristische Anbieter in Baden-Württemberg und die zweitgrößte Schlösserverwaltung in Deutschland. 

Unsere Haltung zum Thema Nachhaltigkeit ist geprägt durch unsere wichtigste Aufgabe: Die Schlösser, Gärten, Klöster, Burgen und Kleinode, die wir betreuen dürfen, denkmalgerecht zu erhalten.

Die Folgen des  Klimawandels schädigen bereits jetzt massiv die Substanz unserer historischen Gärten und zunehmend zeigen sich auch Schäden am mobilen Kunstgut und den Gebäuden selbst. Ebenso verschlechtern abnehmende Biodiversität und Bodenqualität die Erhaltungschancen für das gartenkulturelle, aber auch beispielsweise für das bodenarchäologische Erbe.

Dafür müssen alle, auch wir kulturellen Einrichtungen selbst, unsere Betriebsorganisation auf CO2-Vermeidung im  besonderen und Nachhaltigkeit im allgemeinen  hin optimieren.

Aber dabei wollen es die Staatlichen Schlösser und Gärten nicht belassen. Die Themenfelder Nachhaltigkeit und achtsamer Umgang mit der Natur werden künftig eine noch stärkere Rolle  bei der Weiterentwicklung unserer Besuchserlebnisse und unseres Vermittlungsangebotes spielen, um breitenwirksam Sensibilität, Wissen und Interesse für die Erhaltungsbedingungen des kulturellen Erbes und unserer natürlichen Umwelt zu erzeugen. 

„Der Klimawandel gefährdet die Denkmalsubstanz in Deutschland. Bereits heute massiv die historischen Gärten, zunehmend stärker aber auch die Gebäude und das mobile Kunstgut. Ohne engagierten Klimaschutz wird es nicht möglich sein, das kulturelle Erbe generationenübergreifend zu bewahren. Wir alle müssen daher unsere Betriebsstrukturen konsequent darauf ausrichten, CO2-Emmissionen zu vermeiden und zu mindern – auch die kulturellen Einrichtungen selbst.“

Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Sieben Projektbeispiele zum Thema Nachhaltigkeit aus der aktuellen Arbeit der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
  1. CO2-Fußabdruck

    Wir planen als Pilotprojekt für Baden-Württemberg unseren CO2 Fußabdruck (Tätigkeiten der Mitarbeiter:innen, Gebäude, Freiflächen) ermitteln und im Anschluss mögliche Vermeidungsstrategien oder Ausgleichsmaßnahmen identifizieren zu lassen. Bei den möglichen Ausgleichsmaßnahmen spielen Humusaufbau sowie die Herstellung und der Einsatz von Biokohle für uns eine gewichtige Rolle. In einem zweitenSchritt planen wir zudem den CO2-Fußabdruck, den unsere 4 Mio. Besucher pro Jahr durch Ihre An- und Abreise erzeugen, untersuchen zu lassen. 

  2. Naturerlebniswelt Heuneburg

    Im Zuge des Ausbaus der einstigen Keltenstadt Heuneburg zur Keltenerlebniswelt wird auf ca. 60 Hektar, die zum Schutz der archäologischen Güter im Boden aus der intensiven Landwirtschaft genommen wurden, eine Naturerlebniswelt erschaffen werden. Nach einer Phase der Ausmagerung und Entgiftung der Böden wird Schritt für Schritt eine biologisch vielfältige Landschaft mit Weiden, Streuobst-, Feucht- und Blühwiesen entstehen, die das angemeldete Schutzgebiet an der Donau erweiternd die Artenvielfalt erhalten und fördern will. Unter anderem sollen Quellen wieder höhergelegt werden, um Feuchtgebiete zu schaffen, und über eine angepasste Bewirtschaftung soll ein Lebensraum auch für bedrohte Tierarten wie die Gelbbauchunke entstehen. Daneben wird in einem Klimaschutz fördernden Projekt eine Erhöhung der Humusbildung zur CO2 Bindung angestrebt. Um die Gäste für die ökologischen Herausforderungen zu sensibilisieren, wird ein pädagogischer Pfad mit einem digitalen und analogen Angebot entwickelt werden. Das Vorhaben stellt so die Chance dar, das Kultur- um das Naturerlebnis zu erweitern und das Bewusstsein der Gäste für die ökologischen Herausforderungen zu schärfen sowie einen Ort für Erholungs- und Naturtourismus anzubieten.
     
  3. CO2-optimierte Produktion von Werbemitteln

    Bei den Staatlichen WSchlössern ist nicht nur die Ergebnisqualität, sondern auch die Prozessqualität von Bedeutung. Deshalb achten die SSG auf Umweltstandards, z. B. durch die Verwendung von FSC-zertifizierten und Recycling-Papier sowie klimaneutralen Druck und klimaneutralem Hosting für die Website. Gleiches gilt für die Weiterentwicklung des Shop-Angebots durch Fairtrade-Produkte wie dem Café Burundi der burundischen Kleinbauerngenossenschaft „Mboneramiryango“. Die Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderungen Bezirk Bruchsal-Bretten e. V. bei der Herstellung von Comebags aus alten Werbebannern ist ein weiteres Beispiel. Die in den Shops angebotenen Liegestühle werden aus FSC zertifiziertem Holz gefertigt, die Baumwolltaschen aus Bio-Baumwolle.

  4. Biodiversität als Besuchsngebot

    Die SSG möchte in ihren Gartenanlagen und Freiflächen nicht nur die gestaltete Pracht vergangener Zeiten erhalten und präsentieren, sondern ganz gezielt auch einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt leisten. Hierfür wurden an unterschiedlichen Stellen Blühweiden angelegt, die für verschiedene Blütenformen, Blühzeiten und Wuchshöhen sorgen und damit einen Kontrast schaffen zur gestalteten Natur barocker Schlossgärten. Das Thema Biodiversität wird intensiv ins Besuchsangebot eingebunden, um den Kunden die Wichtigkeit dieser Thematik zu vermitteln. Gleich in zwölf Schlössern, Klöstern und Gärten des Landes arbeiten inzwischen Bienenvölker, deren Honig in den jeweiligen Shops als „Landesgold“ erhältlich ist.

  5. Baumschule und Bodenverbesserung

    Als Folge mehrerer trockener Sommer nahm die Schädigung der Gehölzbestände im Schlossgarten Schwetzingen dramatische Ausmaße an. Betroffen sind wenig trockenstresstolerante Arten wie die Rotbuche (Fagus sylvatica) oder die Stieleiche (Quercus robur). Beide gehören zu den bildprägenden und charakteristischen Gehölzen in dem von Friedrich Ludwig von Sckell, dem führenden Gartenkünstler seiner Zeit, angelegten Englischen Landschaftsgarten. Mit Blick auf die Authentizität eines Gartendenkmals und die Originalität seiner Ausstattung kommt der Baumartenwahl bei wegen des Klimawandels verstärkt notwendig werdenden Nachpflanzungen eine entscheidende Bedeutung zu. Die Etablierung einer parkeigenen Baumschule ein wichtiger Schritt, um Anpassungsmaßnahmen mit gärtnerischen Mitteln nachhaltig in die Wege leiten und ständig überprüfen zu können.

    1. Naturverjüngung: In den Gehölzpartien aufgehende Sämlinge, die sog. Naturverjüngung, können in der Baumschule kultiviert und mit Blick auf ihre Verwendung selektiert werden. Die höhere Vitalität dieser Pflanzen ist auf eine lokal angepasste genetische Stabilität zurückzuführen (autochthone Pflanzen).

    2. Kultivierung und Erprobung von für den Standort geeigneten Provenienzen (Herkünften) der historisch nachgewiesenen Baumarten, etwa von Buchen vom östlichen Rand der Buchenverbreitung in Ostpolen und aus trockenen Regionen Südost- und Südeuropas.

    Ein weiterer Baustein der Klimaanpassungsstrategie ist die Anwendung von Pflanzenkohle zur Bodenverbesserung. Im Schlossgarten Schwetzingen soll erprobt werden, inwieweit die Speicherkapazität der sandigen Böden für Wasser und Nährstoffe erhöht und die Baumgesundheit unterstützt werden kann.

  6. Biodiversitätsmessung unter besonderen Augenmerk  von Mykorrhiza 

    Historische Gärten sind Inseln der Biodiversität. Durch ihren Altbaumbestand und ihre vielfältige Strukturierung mit offenen und geschlossenen Partien, Gewässern und vielen anderen kontinuierlich und über lange Zeit gepflegten und erhaltenen Lebensräumen bieten sie Rückzugsgebiete für eine reiche, oft spezialisierte Flora und Fauna. Der Baumbestand ist dabei ein besonderes Gut, das es zu bewahren und durch Nachpflanzungen zu sichern gilt, sei es als zentraler Bestandteil des Denkmals, als Festlegung immenser CO2-Mengen in Form von Holz oder aufgrund seiner Wohlfahrtswirkungen für die Bevölkerung. Im Zuge sich rasch verändernder Umwelt- und vor allem Klimabedingungen stellen sich Fragen, wie das komplexe Artengefüge, das nur in seiner in jedem Garten individuellen Vielfalt Stabilität zu sichern vermag, erhalten werden kann. Wie kann zukünftig etwa das jeweilige Pflegeregime angepasst werden, um vorhandene Arten zu fördern bzw. für weitere Arten Habitate zu optimieren? Und, vor dem Hintergrund der Erkenntnisse zur immensen Bedeutung des symbiotischen Zusammenlebens von Bäumen und Pilzen, der sogenannten Mykorrhiza: Welche Pilze unterstützen mit diesen unverzichtbaren Symbiosen Vitalität und Wachstum der Bäume, und wie können deren Lebensbedingungen verbessert werden? Um diese Fragen für die historischen Gärten Baden-Württembergs zu beantworten und Taten folgen zu lassen, wurde zunächst in ausgewählten Anlagen eine umfangreiche Erfassung der Biodiversität gestartet, in deren Rahmen ein besonderes Augenmerk auch auf die Ausstattung der Gärten mit Pilzen gelegt wird. Gebraucht wird diese Basisuntersuchung dringend, um wirklich effektiv und nachhaltig die Pflege in Zeiten des Klimawandels zu organisieren. Ihre Ergebnisse werden Bewertungsgrundlage sein für alle bereits stattfindenden und zukünftigen Maßnahmen, die im Zuge der Klimawandelanpassung ergriffen werden (müssen).

  7. Glasskorrosion durch Klimawandel

    Glaskorrosion ist ein großes Problem in der Bewahrung von nicht nur historischen Glasobjekten. Es ist wichtig das Problem in seinem Umfang zu erkennen und zu dokumentieren, um eine Nachhaltigkeit zu erreichen.

    Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Silikatforschung und Kulturgüterschutz (ISC) unternahmen eine Intensive Erforschung der Zusammenhänge der Glaskorrosion vor. Es zeigte sich unter anderem, dass eine kurzfristige Änderung des klimatischen Umfeldes der Glasobjekte eine Glaskorrosion auslösen oder eine vorhandene Korrosion verstärken kann. Wir stellten fest, dass nicht großer technischer Aufwand notwendig ist, sondern dass es wichtig ist, dass gewachsene Umfeld der Objekte zu stabilisieren, um sie zu schützen.

    Die schlecht beleumundete Glaskorrosion kann aber auch helfen, wertvolle Kulturgüter zu schützen. Im Rahmen unserer Forschungsarbeiten im Rahmen der Glaskorrosion stellten wir, gegen Änderungen ihres Umgebungsklimas, hochempfindliche Probengläser nach historischen Glaszusammensetzungen her, um an ihnen Glaskorrosionen experimentell erzeugen zu können. Anhand dieser Probengläser entwickelten die SSG mit dem Fraunhofer ISC Glassensoren deren Empfindlichkeit genutzt wird, um schädliche Klimasituationen frühzeitig festzustellen. Allgemein angewendete Methoden zur Messung von Klimaparametern wie Temperatur und Luftfeuchte stellen nur das vorhanden sein eines gewissen Klimazustandes fest. Sie sind aber nicht in der Lage, direkt eine Aussage zu treffen über das vorhandene schädigende Potenzial. Die Glassensoren als gewolltes schwächstes Teil in der zu beurteilenden Umgebung reagieren aber unmittelbar auf diese Potenziale, so dass man direkt die Möglichkeit erhellt, eine Verbesserung des Umfeldes vorzunehmen. Die Forschungen auf diesem Gebiet durch die SSG und das Fraunhofer ISC sind noch nicht abgeschlossen.